EASL und Compound Heterozygote

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Daniel1983
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EASL und Compound Heterozygote

Beitrag von Daniel1983 »

Hallo alle zusammen!

ich recherchiere gerade fleißig im Internet. Meine Motivation: "kenne den Feind"

Aktuell sammle ich Studien und Informationen zur HH. Nach einiger Recherche ist HH nicht gleich HH - vor allem (mein aktueller Stand) dann nicht wenn man eben nicht C282Y homozygot ist. Es macht wenig Sinn wenn ich mir die Mühe und meine gewonnenen Informationen nur für mich behalte. Daher dachte ich (hoffentlich), dass dieses Unterforum und ein eigener Thread dazu gar nicht so schlecht ist. Falls es noch einen compound heterozygoten gibt der Studien zu dem Thema konsultieren möchte kann bei den hier verlinkten Studien einsteigen anstatt überhaupt erstmal nach welchen zu suchen.

Dabei bin ich auf folgenden Artikel gestoßen:

https://www.limbachgruppe.com/fileadmin ... matose.pdf

Zitat:
Nach den neuesten EASL-Leitlinien werden C282Y/H63D-Compound-Heterozygote und H63D-Homozygote nicht mehr als HFE-assoziierte HH eingestuft. Beim Auftreten einer Eisenüberladung im Zusammenhang mit diesen HFE-Genotypen sollte nach weiteren Risikofaktoren gesucht werden.
(Seite 2 im verlinkten PDF)

Das wundert mich ja sehr. Natürlich muss man mit dieser Information kritisch umgehen.

Die Studie auf die sich hier bezogen wurde war: „EASL clinical practice guidelines for HFE hemochromatosis“ (Quelle: https://www.journal-of-hepatology.eu/ar ... 2/fulltext)

Hier heißt es in der Tat auf Seite 12
C282Y/H63D compound heterozygotes and H63D homozygotes presenting with increased serum ferritin (>200 lg/L in females, >300 lg/L in males), increased transferrin saturation (>45% in females, >50% in males) or increased liver iron should first be investigated for other causes of hyperferritinemia (1C).
Weiter zu hyperferritinemia auf eben der gleichen Seite 12:
Hyperferritinemia
In patients presenting with increased serum ferritin concentrations, it is mandatory to search for common causes of hyperferritinemia before genetic tests are carried out (Fig. 3). It is estimated that in over 90% of outpatients with hyperferritinemia, one of the following causes can be identified: chronic alcohol consumption, inflammation (check for CRP), cell necrosis (check for AST, ALT and CK), tumors (ESR, CT scan), and non- alcoholic fatty liver disease (NAFLD) and/or the metabolic syndrome (check for blood pressure, BMI, cholesterol, triglycerides, and serum glucose). In the absence of such conditions or when hyperferritinemia persists despite treatment of another potential underlying cause, transferrin saturation (TS) should be determined. After confirmation of TS elevation, HFE genotyping should be done.
If the patient is a C282Y homozygote, the diagnosis of HFE-HC can be established. For all other genotypes, confounding cofactors, compensated iron loading anemia, or non-HFE hemochromatosis should be considered. If other factors are suspected, molecular analysis for rare HFE, HJV, HAMP, and TFR2 mutations can be undertaken, with the genetic focus selected according to the clinical, laboratory, and pathological features. Patients with compound heterozygosity for the C282Y and the H63D usually present with mild iron overload, which is associated with comorbid factors such as obesity, NAFLD, chronic alcohol consumption, and end-stage cirrhosis.
If the transferrin saturation is either normal or low, the presence or absence of iron overload will guide further diagnostic work-up. Assessment of liver iron stores by direct means (i.e. MRI or liver biopsy) is recommended. If liver iron concentration is increased, iron overload related to alcohol consumption or to metabolic abnormalities should be considered before genetic testing for non-hemochromatotic genetic iron overload diseases is carried out (ferroportin disease, aceruloplasminemia).
If liver iron concentration is normal, the common causes of hyperferritinemia should be reconsidered before genetic testing for L-ferritin gene mutations (to investigate the hyperferritinemia-cataract syndrome).
In patients with an unclear presentation, family members should be evaluated for the evidence of iron overload, and/or the exact amount of iron removed by phlebotomy should be calculated before rare genetic disorders are tested for by candidate gene sequencing and linkage analysis by a research laboratory.
Gut. Kommen wir also zum Punkt. Zweifelsfrei wird hier nur von C282Y homozygoten gesprochen und hierfür dann auch weitere Empfehlungen gegeben. (hier ist dann von HFE-HC in der Studie die rede)

Das heißt für alle nicht C282Y homozygoten müssen erst andere Ursachen geklärt werden, richtig?

Vielleicht ist das aber auch nicht mehr aktueller Stand? Weiß jemand von neueren publizierten Erkenntnissen?

Edit: unnötige Trennstriche im Zitat entfernt

Update 17.06.2020: Klinische Richtlinien von 2019 zitieren für compound heterozygote Studien aus dem Jahr 2006 und 2009

Quellen dazu: ACG Clinical Guideline https://doi.org/10.14309/ajg.0000000000000315 (2019)

Und die zwei referenzierten Quellen sind einmal "HFE C282Y/H63D Compound Heterozygotes Are at Low Risk of Hemochromatosis-Related Morbidity" https://doi.org/10.1002/hep.22972 (2009) und "The Clinical Relevance of Compound Heterozygosity for the C282Y and H63D Substitutions in Hemochromatosis" https://doi.org/10.1016/j.cgh.2006.07.009 (2006)

Die EASL Richtlinien referenziert hierzu ebenfalls die Studie von 2006.

Die vorsichtige Vermutung liegt nahe, dass im Jahr 2019 zumindest noch keine neuere Erkenntnis in dieser Hinsicht (also bei compound heterozygoten) vorliegt.

Ich habe mir die Studie von Walsh et. al. (2006) angesehen. Aus dieser wird zusammengefasst, dass
In summary, this study has shown that C282Y/H63D subjects have increased iron indices but do not develop progressive clinical disease unless comorbid factors (alcohol excess, diabetes, steatosis on biopsy examination) are present. The degree of iron overload as assessed by HIC, HII, and mobilizable body iron levels is significantly less than that seen in C282Y homozygous subjects and does not reach the threshold required to result in hepatic cirrhosis in the absence of comorbid factors. Cascade screening of relatives should be performed because C282Y homozygotes may be detected.
(Seite 1409)

Daraus könnte man geneigt sein für Compound Heterozygote abzuleiten, dass man tunlichst darauf achten sollte keine Fettleber zu entwickeln, keine Diabetes und sich mit dem Alkoholkonsum stark zurückzunehmen. (das erscheint ein generell "gesunder" Ratschlag zu sein) Aber Achtung: Die Schlussfolgerung mit den comorbid factors und der Frage nach Fibrose/Zirrose beruht auf einem n von 18. (Seite 1408) Das ist nicht viel. Zumindest nicht erschlagend viel. Ist vielleicht auch das große Problem bei compound heterozygoten. Interessant sind aber die Ratschläge die versucht werden zu geben auf Basis der Studie:
An obvious question for the practicing clinician is how such C282Y/H63D subjects should be managed both with respect to liver biopsy examination and phlebotomy therapy. Our data support a conservative role for liver biopsy examination in C282Y/H63D subjects and we conclude that liver biopsy examination need not be performed in C282Y/H63D subjects unless liver enzyme levels are persistently abnormal or there are other comorbid factors involved. The question of phlebotomy to reduce iron stores to normal is more difficult to address because our data and previously published data strongly suggest that C282Y/H63D subjects develop only mild to moderate iron
loading and not progressive iron overload with iron-induced liver injury, although this latter possibility cannot be excluded. Clearly, potential comorbid factors such as excess alcohol and steatosis should be sought, and treatment should be initiated if appropriate
(Seite 1409)

Sind die Leberwerte dauerhaft schlecht und es gibt comorbid factors (Fettleber, Diabetes, Alkoholexzess ...) dann wäre ein Biopsie angeraten. Sonst nicht. Die Frage nach dem Aderlass wird nicht eindeutig beantwortet. Irgendwie nein - aber "sollte gemacht werden wenn es angebracht ist". Diese vorsichtige Aussage ist aber angesichts der Unsicherheit die hier vermutlich aus der Probandenanzahl und der Studienanzahl resultiert durchaus nachvollziehbar.

Ich bin gespannt wie weit mich das Abenteuer der Studien bringt. Das ein Hausarzt sich nicht mit jeder erdenklichen Krankheit (bzw. genetischen Disposition) auf dem aktuellen Stand der Forschung befindet ist klar. Ebenso klar ist, dass die Menge an Informationen die man aus diesen Studien ziehen kann kaum von einem Facharzt erfragen kann - was für ein unendlich langes Patientengespräch wäre das und wie gut informiert müsste man als Patient sein um überhaupt Fragen in diese Richtung zu stellen um solche Antworten zu bekommen.

Ich weiß inzwischen, dass ich persönlich behandelt worden bin wie ein homozygoter - vermutlich aus Unkenntnis, dass das bei heterozygoten gar nicht notwendig ist. Hat mir aber nicht geschadet. Ich finde es auch persönlich nicht schlimm wenn ich statt (wie früher) einmal pro Jahr - dann 2 mal pro Jahr Labor machen lasse.

Liebe Grüße
Daniel
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Lia
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Re: EASL und Compound Heterozygote

Beitrag von Lia »

Hallo Daniel,

herzlich willkommen im Forum :winke
Sorry für die verspätete Begrüßung :wink:
Klasse, dass Du das hier sammelst und postest. :)

Ja, habe auch den Eindruck, seit 2010, seit den EASL-Leitlinien hat sich bzgl. C282Y/H63D kombinierter Heterozygotie nicht viel verändert. Damals wurde im Forum viel zu den Compound Hets geschrieben. Kannst mal in der Suchfunktion „compound“ eingeben.

Die ACG Clinical Guidelines kennst Du ja schon, die sind m.W. so mit die neuesten Guidelines und die geht etwas mehr auf die Compound-Heterozygoten ein, auch was die Therapie angeht. Zitat:
„For compound heterozygotes or H63D homozygotes with evidence of elevated HIC on biopsy, iron removal can be considered“ Übersetzt ungefähr: Für kombiniert Heterozygote oder H63D Homozygote, bei denen per Leberbiopsie eine erhöhte hepatische Eisenkonzentration festgestellt wurde, kann Eisenreduzierung in Betracht gezogen werden.
Quelle:https://journals.lww.com/ajg/Fulltext/2 ... is.11.aspx

Ich persönlich- meine Privatmeinung :) würde auch als C282/H63D kombiniert Heterozygoter nur in wirklich dringlichem Fall bei sehr hohem Ferritin oder Verdacht auf schwere Lebererkrankung bei mir eine Leberbiopsie vornehmen lassen. Wenn der diagnostische/therapeutische Nutzen die Risiken überwiegt. Falls nicht, würde ich mich an den Rat eines eisenerfahrenen Arztes halten, den ich 2010 mal dazu befragt habe und bei Anzeichen für Eisenüberschuss ein paar mit Bedacht durchgeführte Aderlässe bis Erreichen des Normbereiches durchführen. Auch mit nichtinvasiven Verfahren lassen sich Eisenreserven abschätzen, sogar mit „Probe“-Aderlässen als indirekter Methode (je nachdem, wie zügig sich der Hb-Wert nach den Aderlässen erholt und wie sich die Eisenwerte verhalten, wie viele Aderlässe man bis zum Erreichen von Normalwerten braucht=quantitative phlebotomy, ist hierzulande aber glaube ich wenig praktiziert.) Man darf bei Eisenüberladung nicht Blut spenden, könnte aber mit Erreichen des Normbereiches, wenn man die Blutspendekriterien erfüllt, ein sehr geeigneter Blutspender werden.

Die EASL-Guidelines schummeln sich elegant um die Compound-Heterozygoten herum. :)
Kurznach der Einleitung steht im Abschnitt zur Prävalenz der C282Y Homozygotie ein Satz dazu:
„Although compound heterozygosity (H63D/C282Y) appears to be disease associated, in such individuals with suspected iron overload, cofactors should be considered as a cause.“
Obwohl die kombinierte Heterozygotie (H63D/C282Y) krankheitsassoziiert erscheint, sollten bei Menschen mit Verdacht auf Eisenüberladung Kofaktoren als Ursache betrachtet werden.
Der Rest der Leitlinie behandelt nur die C282Y Homozygotie. Verständlich, damit hat man schon genug zu tun, aber damit hat man sich gleich des Compound-Themas und anderer Formen der Eisenüberladung entledigt. :)

So viel für den Moment. :hua
Liebe Grüße

Lia
PS Ah bevor ich es vergesse: wäre für uns so schön, wenn wir in Internetforen längere Text-Passagen aus Studien und Fachtexten reinkopieren könnten, aber leider darf man aus rechtlichen Gründen in Internetforen nicht einfach so Zitate posten.Daher besagen die Forumsregeln auch in unserem Forum: "Zitate und fremde Texte dürfen nicht gepostet werden, es sei denn, man hat die schriftliche Einwilligung des Autors oder desjenigen (Verlag), der das Urheberrecht besitzt oder der Autor ist länger als 70 Jahre tot oder man zitiert nur eine kurze Stelle, z.B. einen Satz oder gegebenenfalls wenige Sätze im Sinnzusammenhang.“ Du kannst also einen Satz oder auch mehrere Sätze aus Studien posten, wenn sie in einem Sinnzusammenhang stehen, es dürfen aber keine längeren Abschnitte in Gänze reinkopiert werden- im Zweifel lieber einen einen Satz weniger und den Inhalt um den wichtigsten Satz herum in eigene Worte fassen oder nen Link setzen. Macht uns Allen leider etwas Mehrarbeit, aber da müssen wir durch...
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larssondk
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Re: EASL und Compound Heterozygote

Beitrag von larssondk »

Moin Daniel,

ich wurde als compound heterozygosity (H63D/C282Y) auch wie jemand mit C282Y Homozygotie behandelt. Das war aber auch notwendig, aufgrund einer paralellen anderen Sache.

Viele Grüße
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