Hallo Ostfan,
Du hast ja bald den Termin bei der genetischen Beratungsstelle, wo man Dich fachlich versiert beraten wird.
Habe Dir, falls Du neugierig bist, schon mal ein paar Sachen zusammengestellt. So hast Du schon etwas Hintergrundwissen zu Deiner seltenen Form der Hämochromatose. Falls Dich der lange Beitrag aber mehr verwirrt als sortiert, warte einfach den Beratungstermin ab.
Nehmen wir mal hypothetisch an, Euer Kind wäre tatsächlich von Hämochromatose-Disposition betroffen. So hätte es eine hohe Erkrankungswahrscheinlichkeit, wenn man nicht wüsste, dass das Kind die Mutationen hat. Aber das wäre bei Euch anders, Ihr wüsstet von Geburt an, dass das Kind eisenbesonders ist und man würde frühzeitig einen Blick auf die Eisenwerte des Kindes haben.
Die allerwichtigste Frage ist wohl: Würde Euer Kind, angenommen es hätte die Hämochromatose-Disposition geerbt, tatsächlich auch symptomatisch an der Erkrankung Hämochromatose erkranken?
Meines Erachtens ein klares Nein, denn frühe regelmäßige Testung der Eisenwerte Ferritin und Transferrinsättigung lässt eine krankmachende Eisenüberladung verhindern. Man kann mit regelmäßigen Aderlässen verhindern, dass das Kind je erkranken wird, da man das Eisen rechtzeitig in Balance hält - auch bei juveniler Hämochromatose, nach allem, was mir darüber bekannt ist.
Das sind viel viel weniger Aderlässe, als Du haben musstest. Bei Dir hat man die Erkrankung erst entdeckt, als sich schon sehr viel Eisen angesammelt hatte und Du musstest die intensive Phase der Aderlässe durchlaufen, bis das gesamte überschüssige Eisen entfernt war. Wenn man aber von Anfang an nur ab und an mal einen Aderlass braucht, ist das für den Organismus viel weniger anstrengend.
Meine Gedanken dazu: Auch wenn die juvenile Hämochromatose schon in jugendlichem Alter unbehandelt eine sehr schwere Form der Hämochromatose macht, bleibt ein bereits von Geburt an erkanntes betroffenes Kind zwar aufgrund seiner Genanlagen eisenbesonders, aber andererseits auch eisengesund, weil das Eisen in sicherer Balance gehalten werden kann. Daher hätte ich kein Problem damit, wenn mein Kind diese Anlagen geerbt hätte. Um das in Relation zu setzen: Viel schlimmer fände ich, wenn mein Kind z.B. Diabetes hätte. Die Eisenbalance lässt sich zudem noch durch eine sowieso allgemein gesunde nicht zu eisenreiche Ernährung sicherlich auch noch etwas unterstützen.
Noch etwas zu Deinen Mutationen: Für mich ergibt sich aus dem, was Du schreibst, noch kein Hinweis auf eine Spontanmutation.
hochgradiger V. a. juvenile Hämochromatose ohne Nachweis typischer Genmutation
Hat man 12 Mutationen getestet und davon war es keine?
Zwei Gene sind bisher für juvenile Hämochromatose bekannt: HJV und HAMP. Fast 90% der Mutationen, die juvenile Hämochromatose verusachen, sind auf dem HJV-Gen. Es gibt noch viel mehr als 13 Mutationen für juvenile Hämochromatose, über 30 sind bislang bekannt. Die meisten davon sind aber seltenst, Mutationen, die nur in einer einzigen Familie bekannt sind, sogenannte private Mutationen. Das ist dann aber eben trotzdem erbliche Hämochromatose.
also mit nicht erblich meinte ich, dass keiner sonst aus meiner Familie HS hat. Gilt das denn dann trotzdem noch als vererbt??
Die extrem seltene juvenile Hämochromatose wird ebenso wie die häufige "normale" Hämochromatose des Erwachsenenalters Typ 1, in autosomal- rezessivem Erbgang vererbt. Google mal "rezessiv" (und im Gegensatz dazu"dominant") plus das Wort "Erbgang".
Die Erbinformation liegt immer doppelt vor, je eine vom Vater, eine von der Mutter geerbt. Bei rezessivem Erbgang braucht es zwei veränderte Gene, eines vom Vater geerbt und eines von der Mutter, damit überhaupt eine Erkrankungsdisposition vorhanden ist. Man kann also Träger eines veränderten Genes sein, ohne eine Erkrankungsdisposition zu haben, weil noch ein unverändertes Gen vom anderen Elternteil geerbt wurde, das den Defekt quasi ausgleicht. Scheinbar plötzlich taucht in der Familie jemand mit einer Erbkrankheit auf und man denkt, es hat doch sonst niemand. Aber das erklärt sich genau dadurch, die Mutation wird vererbt, aber es erkranken nur diejenigen, bei denen beide Erbinformationen verändert sind. Die Träger, die nur 1 verändertes Gen haben, erkranken nicht, können aber das veränderte Gen weitervererben. Verständlich erklärt ist der rezessive Erbgang hier. Es dreht sich da um eine andere Erkrankung, aber die Erklärung gilt auch für Hämochromatose:
http://www.fanconi.de/__handbuch/20_Kap8_50529.pdf Wenn Du magst, lies mal die ersten Seiten S97- bis auf Seite 100 inkl oberster Abschnitt durch.
Daher ist gut möglich, dass Deine Eltern nicht erkrankt und auch sonst im familiären Umfeld niemand juvenile Hämochromatose hat. Beide Elternteile sind dann bei Dir aber einfache Träger einer solchen Mutation. Du hast das Pech gehabt, sowohl von Vater als auch von Mutter genau deren verändertes Gen zu erben. Du hast also zwei veränderte Gene geerbt, sprich dann liegt die Hämochromatosedisposition vor und hast das Erkrankungsrisiko im Gegensatz zu Deinen Eltern.
In jedem Fall wirst Du Deinen Kindern ein verändertes Gen vererben, denn die Kinder eines Betroffenen sind auf jeden Fall zumindest heterozygote Träger, wie Deine Eltern. Es kommt dann noch auf den Genstatus der Mutter Deiner (noch ungeborenen) Kinder an. Wenn sie keine dieser sowieso extremst seltenen Mutationen hat, so ist bei den Kindern ja noch ein unverändertes Gen, nämlich die unmutierte Erbinformation der Mutter und die Kinder sind wie Deine Eltern zwar Träger einer Mutation, aber nicht erkrankt, da sie noch 1 unverändertes Gen haben.
Vermutlich wird man Dich im Gespräch darauf hinweisen, dass eine Kombination von Genveränderung für juvenile Hämochromatose plus Genveränderung für die häufige Hämochromatose Typ1 des Erwachsenenalters ebenfalls Hämochromatosedisposition machen könnte, also auch weitere Hämochromatose-Mutationen ausserhalb der juvenilen Hämochromatose ins Blickfeld genommen werden, sprich die sehr viel häufigere Hämochromatose Typ 1 (die hier im Forum fast alle haben und diese Mutationen sind hierzulande häufig). Aber das wird Dir in der genetischen Beratung auch noch mal erklärt, von Fachleuten. Mein Beitrag soll Dir nur als eine Vorbereitung dienen.
Hier (leider nur auf englisch) Bilder zur Vererbung, zwar anhand der Hämochromatose Typ1, aber wie gesagt, der Erbgang ist bei juveniler Hämochromatose gleich.
http://www.toomuchiron.ca/genetic-testi ... heritance/
So kannst Du die Tabellen auf Dich anwenden: Die Mutation für Hämochromatose Typ 1 ist in der Tabelle C282Y. Du kannst für Dich stattdessen Deine unbekannte juvenile-Hämochromatose-Mutation setzen, also eine doppelte Mutation für juvenile Hämochromatose.
Auf dem vierten Bild hat die Mutter die Mutation H63D. Das ist eine weitere Mutation für Hämochromatose Typ 1 Anhand dieser vierten Tabelle kannst Du ein Erkrankungsrisiko für Eure Kinder ablesen, wenn Du wie vorher auch für Dich statt C282Y Deine Mutation setzt und für die Mutter H63D (oder auch die andere HämochromatoseTyp1 Mutation C282Y)
Die Tabellen 1-4 sind für Dich interessant, sowohl was Deine Eltern als auch mögliche Kinder angeht. Tabellen 5-7 sind für Dich jetzt unwichtig.
( Kannst Du englisch? Allerdings Medizinerlatein dabei
: Zwei Links zu Fachseiten mit ähnlichem Inhalt wie mein Beitrag an Dich. Und dazu noch weitere Infos zu juveniler Hämochromatose. Übersetzungshilfe: sib = Geschwister, carrier= Träger
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1170/
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK11 ... r_Genetics (Aus dieser Quelle in Kurzform das Wichtigste zusammengefasst: "Zitat":)
Evaluation of relatives at risk: Biochemical testing (i.e., serum ferritin concentration and transferrin-iron saturation) or molecular genetic testing in relatives at risk before evidence of organ damage from iron overload; monitor sibs with annual measurement of serum ferritin concentration and transferrin-iron saturation starting in early childhood.
Genetic counseling. Juvenile hemochromatosis is inherited in an autosomal recessive manner. At conception, each sib of an affected individual has a 25% chance of being affected, a 50% chance of being an unaffected carrier, and a 25% chance of being unaffected and not a carrier. Carrier testing for at-risk relatives and prenatal testing are possible if both disease-causing mutations have been identified in the family; however, requests for prenatal testing for conditions which (like juvenile hereditary hemochromatosis) do not affect intellect and have effective treatment available are not common. )
Das wäre es von mir erstmal, hoffe das bringt Dich weiter und ist eine gute Vorbereitung für Euren Termin bei der genetischen Beratung.
Liebe Grüße
Lia