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Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Mi 19. Nov 2008, 15:29
von nesie
Liebes Forum,
schön, Euch gefunden zu haben... Nunmehr bin ich bereits 10 Jahre im Club. Viele Eurer Schilderungen kommen mir sehr vertraut vor und ich habe bereits einige prima Tipps als Merker aufgenommen. Vielen Dank hierfür! Vielleicht hilft es auch einigen, wenn ich kurz meine Geschichte skizziere: Die HC traf mich im "vollen Lauf". Ich war daran gewöhnt, im Leben vieles mit Kraft zu bewältigen. Ich glaubte genügend davon zu haben. Die (noch unerkannte) HC zog mir die Kraft unter die Füße weg. Müdigkeit. Konzentrationsschwäche. Herzpoltern. Mittelbauchschmerzen. Gelenkschmerzen. "Ist das so, wenn man alt wird?", fragte ich mich. Mein selten gesehener Arzt schickte mich nach dem 2. Besuch innerhalb 2 Wochen bereits in die Diagnose-Klinik. HC wurde diagnostiziert (Leberbiopsie). Es folgten 10 Monate wöchentlicher Aderlass - und ein Absturz in die Leere: Meine Kraft war versiegt. Voller Wehmut sah ich Radfahrer und Dauerläufer hinterher. Mein Weltbild von mir schmolz zu einer Dörrpflaume. Bei der Arbeit kamen die prima ohne mich zu recht - auch das schmerzte... Nun stand nach 2 Monaten Schock nur noch ich selbst vor mir - anstatt das gehätschelte Selbstbild. "Wie soll das weitergehen?", war meine bange Frage. Allmählich gewöhnte ich mich an den Aderlass und an das Herangehen an tägliche Dinge ohne übertriebenen Willenseinsatz: Ich war ja schon zufrieden, dass es langsam besser wurde. Störend waren Begleiterscheinungen, von denen mein Knochenarzt meinte: "Du wirst davon ausgehen müssen, dass deine Finger- und Fußgelenkprobleme schlimmer werden". Patsch! Das saß!! Nunja, wenn dem so ist, dann möchte ich die verbleibende Bewegungszeit noch genießen, so weit es geht: Tennis ging nicht mehr, aber Radfahren, Schwimmen und Wandern. Jedes Umknicken, Anecken oder Stoßen der Gelenke brachte mich schier zum Jaulen. Das Lehrgeld war aber gut angelegt: Die Sehnen und Gelenke wurden besser geschont und gestärkt, die Kalzium-Pyrphosphate (kleine Nadelkristalle, die sich an Gelenkweichteile festsetzen und die Schmerzen verursachen) wurden so scheint es mir - "weggespült". Im letzten Frühjahr, 10 Jahre nach der Diagnose, bin ich mit meiner Frau den spanischen Jakobsweg (830 km) ohne Gelenkprobleme gelaufen. Im Beruf backe ich kleinere Brötchen. Das geht, wenn ich die HC und ihre Symptome ernst nehme. Oft - leider nicht immer - gelingt es mir. Wenn ich es tue und betrachte das "Vorher" und "Nachher" habe ich immer mehr das Gefühl, zwar einiges verloren, jedoch auch vieles gewonnen zu haben: Ich habe meine Lebenseinstellung geändert, nehme so manches gelassener und - hoffentlich kommt das nicht sulzig an - dankbarer an. Auch wenn ich die Waagschale zum Schlechten hin neigen lassen würde - wir alle haben (im Moment?) nur das eine Leben: Wäre mir dadurch geholfen?
Euch allen ein solidarischer herzlicher Gruß!
Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Mi 19. Nov 2008, 16:55
von Elena
Hallo nesie,
zuerst mal ein herzliches Willkommen im Club.
Deine Geschichte kann ja Vielen hier im Forum gewaltig Mut machen - was alles möglich ist - nicht zuletzt mit der "inneren Einstellung".
Um es gleich vorwegzunehmen, Dein Bericht kommt auf gar keinen Fall "sulzig" an. Ganz im Gegenteil, er ermutigt und muntert auf und zeigt beeindruckend was Alles möglich ist. Du bist ein richtiger Gewinn für uns hier.
Meine Hämochromatose wurde im August 2007 entdeckt mit dem Wahnsinns-Ferritinwert von über 9000ng/ml. Ich hatte außer zum Schluß akuten Oberbauchschmerzen, gar keine Symptome.
Ich bin auch noch nicht lange im Forum, habe aber durch viel Lesen enorm dazugelernt und eine neue Lebenseinstellung - ja, die habe ich auch bekommen.
Viel Spass noch hier bei uns
Liebe Grüße
Elena

Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Mi 19. Nov 2008, 18:07
von Manes
Hallo Nesie,
willkommen im Forum und danke für deinen Bericht, der sich sicherlich in vielem deckt mit unseren Erfahrungen.
lg
Manni
Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Mi 19. Nov 2008, 18:14
von murmel
hallo nesie,
herzlich willkommen in diesem forum und danke für deinen schönen bericht, der wie elena schon schrieb überhaupt nicht sulzig rüberkommt.
vieles was du schreibst erinnert mich arg an mein eigenes gefühlschaos, ans hadern, zögern, und ans sauer sein - auf wen auch immer- *g*
aber wie du schreibst, was bleibt uns denn schon anderes übrig, als den "stier bei den hörnern zu packen" wir müssen da durch , ob wir wollen oder nicht.
und sind wir doch mal ehrlich, es gibt viiiieel schlimmeres. die meisten - leider nicht alle von uns - sind rechtzeitig auf ihre krankheit aufmerksam geworden und konnten schlimmes vermeiden.
ich wünsch dir noch viel spaß beim durchstöbern und wie würde lia jetzt so schön schreiben?
vielleicht trifft man sich ja mal im chat?
viele grüße
angela
Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Mi 19. Nov 2008, 18:23
von BirgittaM
Hallo,nesie!
Willkommen im Forum!
Danke für deinen sehr gut geschriebenen, leicht zu lesenden und unschwer zu verstehenden Bericht. :lesen
Durch meine Arbeit mit Schwerstkranken und meine relative Beschwerdefreiheit habe ich einen etwas entspannteren Blick auf die Erkrankung gehabt, als sie vor 2,5 Jahren bei mir entdeckt wurde (vom Schock der ersten Woche mal abgesehen

). Viele hier haben noch nicht die lange Krankheitsgeschichte, die du hast, sie sind sicher dankbar, zu lesen, dass es ein Leben trotz und mit HH gibt!
Schön, dass du dabei bist! (Von wegen: ich bin dann mal weg!

)
Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Mi 19. Nov 2008, 21:00
von christiane
Hallo nesie,
ich kann mich meinen Vorschreibern nur anschliessen: Danke für den guten und anschaulichen Bericht!
ach ja, und willkommen im Forum!
Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Mi 19. Nov 2008, 21:38
von Marie
Hallo nesie!
Auch von mir herzlich willkommen!
Leider bin ich noch nicht so weit wie Du, d.h. ich kann mich schlecht daran gewöhnen, dass ich (zur Zeit?) keinen Sport mehr machen kann, so wie früher (Volleyball, Tennis, Ski, Wandern). Wenn ich andere dabei sehe, blutet mir schon das Herz!
Aber vielleicht bessert sich noch einiges im Laufe der Zeit!
Liebe Grüße Marie
Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Mi 19. Nov 2008, 22:56
von Lia
Hallo Nesie,
herzlich willkommen im Forum
Danke für Deinen interessanten Erfahrungsbericht.
Er erinnert mich daran, wie eine Rheumatologin mir(Mitte 30) an den Kopf schmiß, ich hätte die Gelenke einer 75-jährigen. Und ohhh ich hätte noch viel vor mir. Da käme noch einiges auf mich zu.
Wie ein Damoklesschwert saß das.-sitzt? Psychologisches Talent Fehlanzeige

.
Zum Glück geht es mir gelenkmäßig derzeit bestens, viel besser als damals.
Jakobsweg bin ich noch nicht gegangen, aber ich kann wieder Messer halten, Gläserdeckel aufschrauben ohne Schmerzen und Radfahren und ausgedehnte Hundespaziergänge bergaufbergab machen. Darüber bin ich sehr froh und ich betrachte es als Geschenk. So wies aussieht, darf ich dieses Geschenk noch viele Jahre behalten. Achja und Fingergymnastik gegen einrostende Fingergelenke mache ich täglich in Form von Tastaturtippen
Wenn Du Lust hast, schau mal in den Chat rein
Liebe Grüße
Lia
Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Mi 19. Nov 2008, 23:39
von nesie
Liebes Forum,
über Eure herzliche Begrüßung freue ich mich - vielen Dank!
In den Chat klinke ich mich gerne mal ein.
Bis bald
nesie
Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Do 20. Nov 2008, 17:23
von dokanja
halle nesie
deinen bericht finde ich richtig gut . am liebsten würde ich ihn ausdrucken und zum besseren verständnis für MEIN befinden , all meinen freunden und verwandten vors auge halten . zwar habe ich immer zu schildern versucht , aber die leute halten einen doch zwischzeitlich für ein jammerndes weichei . so ein bißchen zu viel eisen kann doch nicht so schlimm sein .....
unsere krankheit ist einfach viel zu wenig bekannt .
lg
anja
Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Fr 21. Nov 2008, 08:00
von Tom
Moin Nesie,
auch wenn sich mein Leiden durch HH ausgesprochen in Grenzen hält bzw. gegen Null geht dank frühster erkennung fand ich es interessant Deine Story zu lesen.
Die Einfühlsamkeit der weißen Zunft und manchmal eben auch des Umfeldes (siehe Anja) hält sich eben in Grenzen. Ich hab den Befund damals am Telefon bekommen
Happy Walking
Tom
Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Fr 21. Nov 2008, 15:59
von nesie
Hallo HHs,
das ist ja richtig vielschichtig, was uns HHs so erfährt! Einen großen Dank an das Forum und die BetreiberInnen, dass dieser Erfahrungsaustausch stattfinden kann. Was anja schreibt, kann auch ich bestätigen: Hämochromatose ist weitgehend unbekannt - auch unter Ärzten. Das war vor 10 Jahren aber noch viel extremer - es bessert sich allmählich, scheint mir. Abgesehen vom Begriff "Hämochromatose" kennen viele Ärzte auch heute in der Regel weder Symptomatik noch die besonderen Begleitumstände der Krankheit. Als "eingestellter" Betroffener kann ich damit leben - wieviel unerkannt Erkrankte allerdings noch immer die Osyssee durch eine unaufgeklärte Ärzteschaft vollzieht, vermögen wir nur zu ahnen. Liegt das daran, dass es für unsere Krankheit kein Medikament oder keinen Impfstoff gibt? Wäre die Aufklärungsquote durch Werbemaßnahmen der Pharmaindustrie, die ein Produktverkaufsinteresse hat, dann größer?
Freudig erstaunt bin ich, wie viele ExpertInnen es im Forum gibt! Vielleicht kann mir jemand folgenden Zusammenhang entwirren: Ich achte bei meinem Aderlassrhythmus darauf, dass der Eisenwert auf niedrigem Niveau bleibt (50-70). Das gelingt mir in der Regel auch recht gut. Nun bin ich im Frühjahr mit 90 kg Anfangsgewicht und einem Eisenwert von Mitte 50 zum Wandern gegangen. Hier habe ich innerhalb 5 Wochen 6 kg abgenommen. Ernährt habe ich mich unterwegs hauptsächlich von Weißbrot, Käse, Obst ... Daheim angekommen lag der Eisenwert plötzlich bei 270. Ein Messfehler lag nicht vor: Der Wert nach weiteren Aderlässen sank allmählich. Woher kam das Eisen? Speichert das Fettgewebe etwa Eisen?? In verschiedenen Beiträgen des Forums habe ich gelesen, dass der Eisenwert - sogar Tageszeit-abhängig - schwanken kann: Woher kommt das? Ich gehe niemals nüchtern zum Aderlass (ich bin am Anfang einmal aus den Schuhen gekippt und der Arzt hat mir dann erst mal ein Frühstück serviert...

- kann das den Eisenwert beeinflussen?
Liebe Grüße
nesie
Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Sa 22. Nov 2008, 12:01
von wolle
Hallo nesie,
... etwas verspätet, möchte ich Dich auch im Forum willkommen heißen!
Deine letzte Frage, wg. der Ernährung und Eisenzunahme, - kann ich Dir nicht beantworten!
Aber zu Sport, - da ich eigendlich schon immer sehr unsportlich war, - merke ich da keinen großen unterschied,
da ich leider auch sehr wenig Sport mache ( ... doch einwenig blöd geschrieben ... ), ausser, das ich früher, berufsbedingt
sehr viel ( für mich ) Rad gefahren bin, - was mir natürlich sehr gut bekam!
Heute, - läst meine Kondition sehr schnell nach, - liegt zum einem auch am altem Rad - aber finde es schon heftig, wie schnell mein
Power weg ist!
Und nun noch diese dunkle Jahreszeit!!!!
Viel Spaß im und mit dem Forum!
LG
Wolle
Re: Rückschau auf 10 Jahre Hämo
Verfasst: Sa 22. Nov 2008, 14:18
von Lia
Hallo Nesie,
ich schreib mal zwischen Deinen Zeilen:
Liegt das daran, dass es für unsere Krankheit kein Medikament oder keinen Impfstoff gibt? Wäre die Aufklärungsquote durch Werbemaßnahmen der Pharmaindustrie, die ein Produktverkaufsinteresse hat, dann größer?
Ich bin sicher, daß sie dann um ein Vielfaches größer wäre.
Daheim angekommen lag der Eisenwert plötzlich bei 270.
Man muß zwischen den verschiedenen Eisenwerten unterscheiden Welcher Eisenwert ist gemeint? Serumferritin?
Serumeisen und Serumferritin sind zwei unterschiedliche Paar Eisen-

Stiefel.
Der Wert für das Serumeisen ist je nach Tageszeit unterschiedlich.
Das Serumferritin spiegelt recht gut die im Körper gespeicherten Eisenreserven wieder. Da Serumferritin aber auch ein Entzündungsmarker ist, kann es bei entzündlichen Prozessen erhöht sein, ohne daß er dann die tatsächliche Menge des im Körper gespeicherten Eisens anzeigt.
Eisenwert - sogar Tageszeit-abhängig - schwanken kann: Woher kommt das?
Interessante Fragestellung! Warum der Serumeisenwert so schwankt, ist sicher nahrungsabhängig, warum aber zu verschiedenen Tageszeiten immer ähnlich, das weiß ich leider nicht, würde es aber gerne wissen. Sollte ich was rauskriegen, schreib ich s hier rein. Vielleicht weiß das jemand anders?
Speichert das Fettgewebe etwa Eisen??
Das Eisen wird hauptsächlich in der Leber eingespeichert. Daher ist auch nicht das Körperfett von Eisenüberladung betroffen sondern die Leber und andere Organe.
der Arzt hat mir dann erst mal ein Frühstück serviert... - kann das den Eisenwert beeinflussen?
Wenn man Nahrungseisen in Form eines Frühstücks

zu sich nimmt, so wird dies den Serumeisenwert beeinflussen. Ich weiß allerdings -noch- nicht, nach welcher Zeit nach einer Mahzeit der Serumeisenwert ansteigt.Auch eine interessante Fragestellung. Auf das Serumferritin hat dieses eine Frühstück jedoch keinen Einfluß.
Liebe Grüße
Lia