Hallo Kirschbaum,
aus eigener Erfahrung kann ich sagen, Hämatokrit war bei HH-Diagnose leicht erhöht und hat sich schnell normalisiert. Ich schreib Dir ausführlich und hoffe, das bringt Dir was.
Dein Arzt hat bzgl. der immer noch bestehenden Polyglobulie schon einiges abgecheckt, z.B. Herz-oder Lungenerkrankungen.
Es gibt verschiedene mögliche Ursachen für eine dauerhafte Polyglobulie, z.B. Herz-,Lungen,-Nierenerkrankungen, Hämoglobin-Defekte, aber auch stark Rauchen oder Schlafapnoe, die man selbst meist nicht bemerkt und viele weitere. Eine sehr seltene Ursache für Polyglobulie ist die Polycythaemia vera (PV), die ich wg erhöhter Thrombozyten mit erwähnen möchte- im Forum gibt es einen Thread dazu (Suchfunktion). Bei PV werden gesteigert rote Blutkörperchen im Knochenmark gebildet, aber meist ist auch die Bildung von Leukozyten und Thrombozyten gesteigert. Bei fast allen Patienten mit dieser Erkrankung findet man eine Genmutation (Laborkürzel: JAK2 ). Medizinische Standardtherapie sind wie bei Hämochromatose Aderlässe und ggfls. zusätzl. Medikamente, z.B. gegen die Auswirkungen der vermehrt gebildeten Thrombozyten. Vermutlich checkt das Dein Arzt mit ab, ansonsten würde ich ihn mal darauf ansprechen. (Falls Verdacht auf PV besteht, ist es m.W. empfehlenswert, zur Diagnostik einen Hämatologen hinzuziehen. Auch wenn ernste Erkrankung, gut therapiert ist die Lebenserwartung heutzutage oft kaum eingeschränkt.)
Testosterontherapie ist auch eine mögliche Ursache für Polyglobulie- siehe auch in diesen Guidelines-
https://www.medix.ch/media/gl_haematolo ... .20_mh.pdf
Das Kapitel Polyglobulie kannst Du Dir mal durchlesen, dann bekommst Du einen Überblick über mögliche Ursachen.
In der Ärztezeitung steht ein Fallbeispiel zu Polyglobulie durch zu hohes Testosteron:
https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Zu ... 11900.html
Zu hohe Testosteron-Dosis kann zu Polyglobulie und erhöhtem Hämatokrit führen. Die testosteronbedingte Polyglobulie bei Testosterontherapie kann man behandeln, indem man nach Überdosierung weniger Testosteron zuführt bzw. eine flachere Wirkungskurve erreicht, in dem man die Art der Testosteron-Verabreichung verändert.
Je nachdem, wie das Testosteron bei Dir eingestellt ist, könnte sich m. E. eine mögliche Ursache für die Polyglobulie ergeben, zumal mit Zusammenwirken der Hämochromatose: durch Hämochromatose kann der Körper Eisen besonders gut aus der Nahrung aufnehmen und speichern, was die Bildung neuer roter Blutkörperchen fördert. Kann natürlich nur der Arzt beurteilen, der Dich kennt und Deinen Gesundheitszustand und auch die Dosierung des Testosterons. Klar ist aber, grundsätzlich gesprochen: es gibt Polyglobulie durch Testosteron. Zu einer möglichen Ursache steht etwas in dem Artikel der Ärztezeitung:
Testosteron, Hepcidin, Eisenstoffwechsel:
„Ursache der Testosteron-bedingten Polyglobulie ist vermutlich eine gehemmte Ausschüttung von Hepcidin, das an der Regulation des Eisenstoffwechsels beteiligt ist. Dies führt zur verstärkten Bereitstellung und Aufnahme von Eisen. Aus ungeklärten Gründen erhöht sich außerdem die Erythropoetin-Freisetzung. Außerdem ändern sich Form und Viskosität der Erythrozyten.“
Quelle: obiger Link Ärztezeitung
Die Hepcidinausschüttung ist auch bei Hämochromatose vermindert. Du hast also eh schon dadurch eine vermehrte Eisenaufnahme, d.h. es steht viel Eisen zur Blutbildung zur Verfügung. Auch bei Aderlass-Erhaltungstherapie ist i.d. Regel immer noch gut Eisen für die Blutneubildung verfügbar.
Aderlässe helfen, die Fließeigenschaften des Blutes zu normalisieren, senken den Hämatokritwert. Frisch diagnostizierte Hämochromatosepatienten haben meist noch einen hohen Hämatokrit, was sich u.a. darin zeigt, dass das Blut bei den ersten Aderlässen nur zäh fließen will. Durch die Aderlässe wird das Blut flüssiger fließend, Hämatokrit normalisiert sich. Bei Dir aber noch nicht. Bei Patient mit einer aktuellen Polyglobulie mit aktuell Ferritin <100 ng/ml = therapierte Hämochromatose, ist die Hämochromatose-Disposition nicht als Ursache zu erwarten, sondern m.E. eher als ein Polyglobulie-begünstigender Faktor.
Der Patient im Fallbeispiel
Er bekam monatlich 250 mg Testosteron intramuskulär, intermittierend nahm er zusätzlich Testosteron-Gel. Einen Monat, bevor er sich in der Baseler Klinik vorstellte, hatte er die doppelte Dosis des intramuskulär gespritzen Testosterons bekommen. (Grund: Dosis im Vormonat verpasst. )
Wie wurde die Therapie beim Patienten im Fallbeispiel umgestellt?
„Um eine im Vergleich flachere Testosteron-Wirkungskurve zu erreichen, stellten die Baseler Internisten auf das intramuskulär zu applizierende und länger wirksame Präparat Testosteronundecanoat um. In Zukunft soll sich der Zeitpunkt der Testosteron-Substitution am klinischen Allgemeinzustand des Patienten sowie am peripheren Androgenspiegel orientieren."
Quelle: obiger Link Ärztezeitung
Würde das mal mit Deinem Arzt besprechen der Dich, Deine Geschichte, die Testosterontherapie usw. und die bisherige Diagnostik gut kennt. Fragen an ihn könnten sein, ob Polyglobulie durch Testosteron bei Dir als mögliche Ursache in Frage kommt, welche Ursachen er noch abcheckt (die seltene PV dabei?, Schlafapnoe?) und wie engmaschig jetzt Aderlässe sein sollen, um den Hämatokrit ausreichend gesenkt zu bekommen. Er checkt zur Diagnostik alle 2 Wo Blutwerte, um zu sehen, wie sich die Werte entwickeln. Was spricht aus seiner Sicht für/gegen intensivierte Aderlässe, um Gesundheitsrisiko hoher Hämatokrit zu minimieren, auch wenn die Polyglobulie-Diagnostik noch läuft?
Liebe Grüße
Lia