Hallo, hier meine zugegebenermaßen lang geratenen Gedanken zum Thema, die mittlerweile zu einem Artikel ausgeufert sind:
"Damit Deutschland gesünder wird!"
Auf der Internetseite der Gesundheitsreform steht groß ein Slogan zu lesen, der sich zynisch anhören muß für all diejenigen, die die Folgen dieser Reform schon am eigenen Leib zu spüren bekommen haben:
"Damit Deutschland gesund bleibt"
Die Einführung des neuen Abrechnungsmodus im Rahmen der Gesundheitsreform am Beispiel der Aderlaßtherapie zur Behandlung der Erbkrankheit Hämochromatose.
Warum verweigern manche Hausärzte neuerdings den lebensnotwendigen Aderlaß für Hämochromatose-Patienten und schicken diese stattdessen zum Blutspenden, obwohl sie gar nicht zur Blutspende zugelassen sind?
Bislang konnte der Arzt den Aderlaß gesondert abrechnen. Mit der Einführung des neuen Abrechnungsmodus ist der Aderlaß mit im Ordinationskomplex enthalten und nicht mehr gesondert abrechenbar.
Dies hat zur Folge, daß manche Hausärzte ihren
Hämochromatose-Patienten die notwendige Aderlaßtherapie verweigern und diesen stattdessen empfehlen, zum Zwecke der Eisenreduzierung Blutspenden zu gehen.
Welche Folgen kann solches Verhalten haben für Ärzte und für Patienten?
Ärzte handeln meiner Ansicht nach sehr unbedacht, wenn sie Aderlässe verweigern und (unter Umständen frisch diagnostizierte stark eisenüberladene) Hämochromatosepatienten zur Blutspende schicken.
Ich habe durchaus Verständnis für ihre derzeitige von Unsicherheit geprägte Situation angesichts des neuen Abrechnungsmodus; solches Verhalten ist meiner Ansicht nach dennoch unangebracht und kann für solche Ärzte Folgen haben aus zwei Gründen:
Erstens gehen sie das Risiko ein, daß durch verweigerte oder verzögert eingeleitete Aderlässe bei Vorliegen einer hämochromatosebedingten Eisenüberladung irreversible Folgeschäden verursacht werden. Dies kann auch bereits bei nur geringer Eisenüberladung der Fall sein bei der Hämochromatose-Arthropathie.
Sollte ein betroffener Patient eine solche Schädigung erleiden, welche nachweislich die obengenannte Ursache hat, kann dies wohl als unterlassene Hilfeleistung vor Gericht gebracht werden.
Zweitens fordern sie wissentlich oder unwissentlich zu einer unerlaubten Handlung auf mit der Empfehlung, zur Blutspende zu gehen, da Hämochromatosepatienten grundsätzlich in Deutschland nicht zur Blutspende zugelassen sind, auch nicht bei bereits erfolgter Entleerung der Eisenspeicher.
Desweiteren kann diese Empfehlung potentiell gesundheitsschädigende Folgen für die Empfänger von etwaigem solchem Spenderblut bei Personen haben, die aufgrund von Polytransfusionen an sekundärer Hämochromatose leiden und sowieso schon mit dem Eisenchelator Desferrioxamin behandelt werden müssen, da Aderlässe bei diesen Patienten nicht möglich sind.
Dies wäre dann der Fall, wenn der Blutspendedienst aus Versehen stark eisenüberladene Hämochromatosepatienten Blut spenden lassen würde und dieses als Spenderblut bei Menschen mit polytransfusionsbedingter Hämochromatose eingesetzt würde.
(Allerdings bleibt zu sagen, daß das Eisen eisenüberladener Patienten sich hauptsächlich in den Organen ablagert. Dennoch sind diese anormalen Eisenwerte im Blut der Grund dafür, daß Hämochromatosepatienten in Deutschland nicht Blut spenden dürfen.)
Bei der Gabe von Desferrioxamin besteht ein hohes Risiko an schweren Nebenwirkungen.
Ich kann oder will mir nicht vorstellen, daß ein Arzt wider besseres Wissen seinen Patienten zum Blutspenden schickt. Solche Empfehlungen geschehen daher wohl teils aus Unbedachtsamkeit und teils aus Unwissen.
Die Ursache dafür scheint mir darin zu liegen, daß Hämochromatose bei der Ärzteschaft immer noch ein Stiefkind ist, die Ärzte immer noch zu wenig darüber wissen auch noch fast zehn Jahre nach der Einführung des Gentests im Jahre 1996, der seitdem endlich eine sichere Diagnose ermöglicht.
Die menschliche Haltung eines Arztes bereitet mir Sorge, der es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, seinen Patienten ohne Angabe von Gründen die notwendige Aderlaßtherapie zu verweigern.
Wäre ich Patient in solcher Situation mit solchem Arzt, wäre für mich das Arzt-Patientenverhältnis dauerhaft gestört und ich würde mir einen anderen Hausarzt suchen müssen.
Mehr Verständnis bringt man als Patient sicher auf, wenn der Arzt ganz ehrlich sagt, daß Unsicherheit aufgrund des neuen Abrechnungsmodus besteht, wobei zu bedenken ist, daß die Durchführung von Aderlässen nach altem Abrechnugsmodus mit 480 Cent pro Aderlaß die Ärzte auch nicht gerade reich gemacht hat.
Wie sieht die Zukunft in Bezug auf Hämochromatose aus?
Welche Auswirkungen hat das auf das Gesundheitssystem?
Man sollte ja eigentlich meinen, daß Hämochromatose als vermeidbare Erkrankung durch rechtzeitiges routinemäßiges Erfassen der Transferrinsättigung in Zukunft gar nicht mehr auftreten wird. Hämochromatose sollte der Vergangenheit angehören und Medizingeschichte sein....
Vielmehr wird es aber so aussehen, daß Hausärzte noch weniger als bisher Interesse daran haben werden, Hämochromatosediagnostik zu betreiben.
Welcher Arzt ist schon nur aus rein mitmenschlichem Interesse bestrebt und bereit, bei einem Patienten mit Arthrose, Leberzirrhose, Diabetes, Herzschäden oder Hormonstörungen die Eisenwerte messen zu lassen, um die Systemerkrankung Hämochromatose als Ursache auszuschließen?
Diese vielen möglichen schwerwiegenden Folgeerkrankungen bei dieser häufigsten Erbkrankheit in Mitteleuropa werden das Gesundheitssystem teuer zu stehen kommen.
Das wird sich Deutschland nicht leisten können.
Vielmehr sollte schon aus Kostengründen Prävention im Vordergrund stehen, das bedeutet bei Hämochromatose frühzeitiges Erfassen von Patienten in der Hausarztpraxis, die eine erhöhte Transferrinsättigung/erhöhtes Ferritin und nach eventuell diagnostizierter Hämochromatose unmittelbar anschließende Aderlaßtherapie, um alle möglichen Folgeschäden zu vermeiden. Das hätte noch weitere positive präventive Nebeneffekte; um nur ein paar aufzuzählen: laut neuesten Studien haben Menschen mit hohen Eisenwerten auch ohne Eisenspeichererkrankung ein hohes Risiko, im Laufe ihres Lebens einen Diabetes Typ 2 zu entwickeln und es wurde nachgewiesen, daß die multikausale Morbidität bei hoher Transferrinsättigung in Verbindung mit hohem Fleischkonsum erhöht ist.
Wenn die Entwicklung jedoch so weiterläuft: Wird der Kassenpatient mit Hämochromatose in Zukunft überhaupt Ärzte finden, welche fachgerechte venenschonende Aderlässe durchführen? Wird der Kassenpatient in Zukunft für den lebenserhaltenden und lebenslang durchzuführenden Aderlaß selbst aufkommen müssen?
Eine mögliche Lösung des Problems könnte in der angemessenen Vergütung der Aderlässe liegen. Dies wäre ein ermunterndes Signal für den Hausarzt, der ihm zugedachten Lotsenfunktion gerecht zu werden. Es würde sich dann künftig für den Hausarzt lohnen, Patienten seiner Praxis als Hämochromatosepatienten zu diagnostizieren und zu therapieren und sich für ihn somit auch lohnen, präventiv zu arbeiten und Kosten im Gesundheitswesen einsparen zu helfen. Das wäre ein Teil einer Gesundheitsreform zum Wohle Deutschlands und seiner Patienten:
"Damit Deutschland gesünder wird"
copyright beim Verfasser
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www.haemochromatose-forum.de
Dieser Artikel wird in korrigierter und überarbeiteter Fassung der Patientenbeauftragten Helga Kühn-Mengel zugesandt werden.
Wie kann man einer solchen Entwicklung entgegensteuern?
Ein Weg in die richtige Richtung wäre meiner Ansicht nach die dem Nutzen für das Gesundheitssystem angemessene Vergütung des Aderlasses für die Ärzte.
Was können die Betroffenen tun?
-generell: über Hämochromatose informieren, damit der Stellenwert dieser Erkrankung für die Gesellschaft und das Gesundheitssystem als häufigster Erbkrankheit deutlich wird.
-Ansprechpartnerin für die Patienten Patientenbeauftragte Helga Kühn-Mengel von dieser Problematik in Kenntnis setzen. Sie ist für uns Patienten wie gesagt die Ansprechpartnerin für derartige Probleme.
Hier ist die Adresse und e-mail Adresse
Geschäftsstelle der Patientenbeauftragten der Bundesregierung
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung
Frau Helga Kühn-Mengel
Wilhelmstr. 49
10117 Berlin
Telefon: 01888 441 0
mailto:
info@die-patientenbeauftragte.de
mehr zu Frau Kühn-Mengel (Lebenslauf etc)
http://www.bmgs.bund.de/deu/gra/ministe ... a/5083.cfm
- bei der nächsten Sitzung des HVD (ich war das letzte Mal nicht da und weiß nicht, ob das bereits besprochen wurde) diskutieren.
Der HVD könnte sich z.B.als Repräsentanten der deutschen Hämochromatosebetroffenen diesbezüglich mit DGVS und anderen Fachverbänden und mit den Krankenkassen (insbesondere der KKH, die den Modellversuch Hämochromatose-Screening durchgeführt hat) zwecks gemeinsamer Interessenverfolgung kurzschließen, um eine Lösung des drohenden Problems zu erarbeiten, die zum Beispiel in der angemessenen Vergütung der Aderlässe liegen könnte.
Link zur Gesundheitsreform
"Damit Deutschland gesund bleibt"
http://www.die-gesundheitsreform.de/index.4ml
Liest sich das nicht geradezu zynisch?
http://www.die-gesundheitsreform.de/pre ... 15-45.html
Habe fertig
Liebe Grüße
Lia