Ferritinwert nach der Initialphase

In diesen älteren Diskussionen der Vorjahre könnt Ihr lesen und auch weiter aktiv schreiben. Beachtet, dass sich der Stand der Forschung seitdem geändert haben kann. Es gibt inzwischen neue Empfehlungen und Leitlinien zur Diagnostik und Therapie.
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70juergen
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Ferritinwert nach der Initialphase

Beitrag von 70juergen »

Hallo zusammen,

ich lese immer wieder, dass der Ferritinwert unter 50 ng/ml nach der Initialphase sein muss. Gibt es dafür eine Begründung. Der Soll-Bereich ist doch bei 30-400, soweit ich informiert bin. Besteht nicht die Gefahr, dass er dann unter 30 ng/ml fallen kann?? Wäre es nicht besser, ihn zwischen 50 und 100 zu haben?? Dann ist er doch auch im unteren Bereich, so dass es wieder etwas dauert, bis dass er über 400 kommt.

viele Grüße
70juergen
Alle sagen, dass geht nicht. Dann kam jemand, der wußte das nicht und hat das einfach gemacht.
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Lia
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Re: Ferritinwert nach der Initialphase

Beitrag von Lia »

Hallo Jürgen,

nicht ganz einfach, Deine Fragen zu beantworten, da komplexes Thema.
In einem Satz: Nix genaues weiss man nicht.
ich lese immer wieder, dass der Ferritinwert unter 50 ng/ml nach der Initialphase sein muss.
Du meinst damit, dass das Ferritin ein Mal unter 50 ng/ml geht? MUSS nicht, sollte aber evtl , zumindest in diversen Fällen, zumindest ist das aktuelle Standardpraxis.
Ziel ist, alles überschüssige Eisen aus der Leber entfernt zu haben, ohne dass der Betroffene Eisenmangelsymptome bekommt: Eisen in Balance.
Jeder Betroffene ist da aber auch etwas individuell unterschiedlich in seinem Wohlfühlbereich und man entscheidet auch nach Grad der Eisenüberladung.
Je höhergradig die Eisenüberladung zum Diagnosezeitpunkt, desto mehr Speichereisen nicht nur in Form von Ferritin, sondern auch von schwer mobilisierbarem sogenannten Hämosiderin ist vorhanden, und deswegen gehen erfahrene Ärzte da mit dem Serumferritin tiefer runter als es bei jemand mit geringer Eisenüberladung nötig wäre. Ebenso, wenn durch hochgradige Eisenüberladung unmittelbar ein irreparabler Leberschaden droht, ist es sinnvoll das Serumferritin weiter abzusenken, um der angegriffenen Leber maximale Entlastung zu geben, wichtiger als bei jemandem ansonsten völlig Gesunden, der nur eine minimalste Eisenüberladung hat.
Je erfahrener ein Arzt ist, desto feinjustierter kann er vorgehen, z.b. sich noch die Entwicklung des Laborwerts MCV ansehen vom Beginn der Aderlasstherapie bis zum Ende usw. Andererseits kann mans auch übertreiben mit der Feinjustierung, weil man bis heute eigentlich nicht genau weiss, was der ganz ideale Ferritinbereich ist. Leitlinien EASL ( mehr: http://www.haemochromatose-forum.de/for ... f=3&t=1826 )
schreiben dazu: "Es gibt keinen evidenzbasierten Zielpunkt der Aderlasstherapie. Die existierenden Empfehlungen basieren
auf dem theoretischen Argument der Notwendigkeit eines Eisenmangels, um das Gewebeeisen auf normale
Level zu bringen. Und darauf, dass ein festgelegter Zielpunkt besser sei als eine Festlegung auf "normale
Serumferritinkonzentration", weil dies zu variabler Auslegung und variabler Handhabung führen könnte.
Klinischer Standard ist ein Zielpunkt von Serumferritin <50 ng/ml." (übersetztes Zitat, Quelle: siehe Download obiger Link Leitlinien EASL)
Der Soll-Bereich ist doch bei 30-400
Was meinst Du mit Soll-Bereich?
Der sogenannte Referenzbereich wird von Laboren verschieden angegeben, oft sieht man für Männer einen Referenzbereich von 30-400 ng/ml. Das heißt nicht, dass jemand, der etwas darunter oder darüber liegt, krank ist. mehr dazu: http://www.med4you.at/laborbefunde/allg ... zwerte.htm

Der Soll -Bereich für Hämochromatose, von dem man aktuell ausgeht, dass er für Hämochromatose-Betroffene Eisen in Balance darstellt, wird von den aktuellen Leitlinien der EASL und AASL mit 50-100 ng/ml angegeben, also unter dem oberen Referenzbereich für Eisenunmutierte. Aber auch das ist keine festzementierte Erkenntnis, letzte Evidenz fehlt. Aber in diesem Bereich sind Eisenmangelsymptome nicht zu erwarten und auch keine Symptome von Eisenüberladung.
Ich persönlich würde mein Ferritin als Hämochromatose-Betroffene nicht auf 400 ng/ml steigen lassen, weil unser Eisenstoffwechsel eben etwas unterschiedlich ist, sieht man u.a. daran, dass die Transferrinsättigung bei uns zumeist höher bleibt als bei Unmutierten. Und weil auch bei Unmutierten noch nicht ganz klar ist, wieviel Eisen wirklich und jederzeit risikolos ist.

Hoffe, ich konnte das einigermaßen erklären. Falls nicht, gerne nochmal nachhaken :)

Liebe Grüße

Lia
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Hanne
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Re: Ferritinwert nach der Initialphase

Beitrag von Hanne »

Hallo Jürgen! :hallo

Unsere liebe Lia hat Dir ja schon ausreichend geschrieben. (Danke Lia :blumen )
Bei mir ist es so, daß mein persönlicher „Wohlfühlwert“ bei unter 50 liegt.
Das ist – wenn die Eisenspeicher einmal leer waren – meiner Ansicht nach auch die Hauptsache: in Zusammenarbeit mit Deinem Arzt einen Wohlführwert für Dich zu finden.

Liebe Grüße! :winke
Hanne
Liebe Grüße :winke
Hanne
70juergen
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Re: Ferritinwert nach der Initialphase

Beitrag von 70juergen »

Hallo Lia, hallo Hanne,

vielen vielen Dank für Eure Antworten, die ich verständlich finde. Bei mir ist es so, dass ich derzeit einen Ferritinwert von 171 ng/ml habe und da ich nach 29 Aderlässen nicht mehr "so die Lust dazu habe". Aber ich bin ja froh, dass keine Organschäden da sind und die Erschöpfungszustände um Ostern (da wurde mir hier auch viel geholfen!!!) vorbei sind, dachte ich mir, ob es nicht ausreicht, unter 100 zu sein. Aber da ich ja mit 2573 anfing, ist es vielleicht doch besser, wenn der Ferritin so um 50 herum liegt. Meine Hämatologe ist mit meinen Blutwerten sehr zufrieden ist. Ich muss auch nicht mehr wöchentlich hin, sondern gehe zur Zeit im zweiwöchigen Rhythmus hin. Das ist schon SEHR erholsamer.
Ich bin mal gespannt, wie oft ich zum Aderlass muss, wenn meine Initialphase vorbei ist.

Aber nochmals 1000 Dank für Eure Unterstützung!!!

70juergen
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Re: Ferritinwert nach der Initialphase

Beitrag von Ullimaus »

also mir wurde gesagt, dass ich auf ferritin 50 kommen muss, da die transferrinsättigung erst danach sinkt, da lieg ich ja bei 90 % ...
aber bei 29 aderlässen versteh ich, dass man irgendwann echt genug hat ... tut mir leid ... :-(
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Re: Ferritinwert nach der Initialphase

Beitrag von aeroween »

Hallo zusammen,

vielen Dank für diese Info´s. Ich habe meine ADL´se gar nicht mehr mitgezählt, Aber bei einem Ausgangswert über 4800 werde ich wohl weiterhin wöchentlich meinem Vampir-Doc :evil meine Blut schenken .... Und ja, es macht keinen Spaß. Habe aber GsD einen guten Doc und gewöhne mich an das "Ungewöhnliche" ... . Wenn ich bei 50 ankomme, wird es mir hoffentlich etwas besser gehen. Bis dahin pflege ich meine Bauchschmerzen (werden gefühlt immer weniger...) und orientiere mich schon mal an diesen Zahlen und Zielwerten. THX und Gruss aeroween :hallo
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Re: Ferritinwert nach der Initialphase

Beitrag von christiane »

Moin moin zusammen,

meine Diagnose liegt jetzt 10 Jahre zurück und ich gehe, wenn möglich, regelmäßig 3 - 4 x jährlich zur Blutspende im UKE Hamburg.

Da mein Ferritin seit langem immer unter 30 ng/ml lag, oft sogar VOR der Spende um die 20, hatte ich einen Termin in der Eisenstoffwechselambulanz bei Dr. Nielsen vereinbart.
Ich hatte die Sorge, dass ich in einen Eisenmangel komme, wenn ich bis zu 4 x jährlich Blut spende.
Dr. Nielsen nahm mir diese Sorge aber: Ein HH-Patient kommt normalerweise nicht in eine Eisenmangel Situation. Solange der HB-Wert, der ja vor jeder Spende geprüft wird, in der Norm ist, kann man spenden.

Ich hänge mal die Ergebnisse der Blutuntersuchung an, die ca. 3 Monate nach der letzten Blutspende durchgeführt wurde.
UKE 001.jpg
Vielleicht hilft es dem einen oder anderen ja weiter, gerade, wenn auch Gelenkeprobleme bestehen.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Liebe Grüße
Christiane



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Lia
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Re: Ferritinwert nach der Initialphase

Beitrag von Lia »

Hallo Christiane,

toll, dass Du das hier eingestellt hast. :daumen
( Bild möglichst ganz angucken, runterscrollen bis auf "Interpretation" :wink: )
Christianes Arzt behandelt Hämochromatose-Patienten schon viele Jahre in seiner Eisenstoffwechselambulanz an der Uniklinik. Er hat Erfahrung.
Er wählt bei seinen Patienten aus seiner Erfahrung heraus generell gesehen eher relativ niedriges Erhaltungsferritin, je nach Beschwerdebild.
(Im Gegensatz dazu gibt es m.W. andere erfahrene Ärzte z.B. in der Schweiz und in den Niederlanden mit einem deutlich höheren Erhaltungbereich: Ferritin im oberen Normbereich, also z.B. 300ng/ml.)
Die Patienten dieses Hamburger Arztes im Forum haben, zumindest wie ich es überblicke, alle recht niedriges Erhaltungsferritin im früher empfohlenen Erhaltungsbereich 20-50 ng/ml. (eher sogar Richtung 20-30 ng/ml als gegen 50 ng/ml.)

Die Einstellung von Patienten mit einer gleichen Ferritinhöhe kann je nach Laborwerten drumrum völlig unterschiedlich aussehen. Darum eine Zusammenschau wichtig ist und nicht nur der bloße Blick auf aktuelles Ferritin. Es ist also nicht nur Laborkosmetik, um Werte schön aussehen zu haben, sondern das Zusammenspiel der verschiedenen Werte zeigt an, wie gut die Eisenbalance des Patienten gelingt. Ich gebe mal ein Beispiel:

Christianes Ferritin auf dem Bild: 24 ng/ml.
Die weiteren Laborwerte: Hb im oberen Normbereich, MCV weiterhin hoch, Transferrinsättigung im Normbereich.
(Häufig ist die Transferrinsättigung bei Hämochromatosepatienten auch in Erhaltungsphase weiterhin dauerhaft erhöht.)
Wenn Christianes Hb immer ungefähr so liegt und keine sinkende Tendenz zu sehen ist, dann steht dauerhaft trotz dauerhaft niedrigen Ferritins genug Eisen für die Blutbildung zur Verfügung. Aufgrund der Gelenkproblematik wird zu niedrigem Erhaltungsferritin geraten. Christianes Eisen ist in für sie gesunder Balance.

Wenn ein anderer Hämochromatose-Betroffener bei gleicher Ferritinhöhe 24 ng/ml niedrigen o.zu niedrigen Hb hat, MCV deutlich weiter unten und Transferrinsättigung deutlich zu hoch, müsste man anders vorgehen. Dieser Patient hätte evtl zu viele Aderlässe in zu kurzen Abständen erhalten. Würde man bei so einem Patienten einen Aderlass zu früh ansetzen, würde Hb noch niedriger, Anämiesymptome wären zu erwarten. Es wäre zu wenig Eisen im System, um noch genug rote Blutkörperchen zu bilden = Eisenmangelanämie. Der Körper wäre aufgrund des Eisenmangels in einem Status von "Eisengier" (engl. als iron avidity bezeichnet), was sich an noch weiter ansteigender Transferrinsättigung zeigen würde. Das wäre das Gegenteil von Eisenbalance.

Wenn ein unerfahrener Arzt mit dem früher empfohlenen Ferritinbereich von 20-50 ng/ml umgeht, ist die Gefahr von Eisenmangelsymptomen erhöht im Vergleich zu Ferritinbereich 50-100 ng/ml. Wir haben auch im Forum immer wieder Menschen, die von unerfahrenen Ärzten unnötigerweise regelrecht ausgeblutet wurden, das ist des Guten zu viel und schadet der Gesundheit.
Das bei niedrigem Ferritin erhöhte Risiko für Restless Legs Syndrom ist aus meiner Sicht in die Überlegungen einzubeziehen. RLS-Betroffene haben wir hier im Forum. Auch auf der amerikanischen Hämochromatose-LIste ist RLS immer wieder Thema. Bei vorhandenem Restless Legs Syndrom sollte das Ferritin bei einem Hämochromatose-Betroffenen pauschal gesagt nicht um 20 ng/ml liegen, sondern auf deutlich höher, z.B. wie in den Leitlinien der EASL/AASL genannten Bereich 50-100 ng/ml.
Vermutlich würde der Hamburger Arzt hier auch anders vorgehen als bei einem Patienten wie Christiane ohne Restless Legs Syndrom.
Manes könnte hierzu was sagen. @ Manes, wenn Du das liest, magst Du was dazu schreiben?

Liebe Grüße

Lia
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