Hämochromatose und Psyche

In diesen älteren Diskussionen der Vorjahre könnt Ihr lesen und auch weiter aktiv schreiben. Beachtet, dass sich der Stand der Forschung seitdem geändert haben kann. Es gibt inzwischen neue Empfehlungen und Leitlinien zur Diagnostik und Therapie.
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Jonas
Frischling
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Registriert: Mi 8. Feb 2006, 13:15

Hämochromatose und Psyche

Beitrag von Jonas »

Hallo,
mein ältester Bruder leidet seit Jahren unter Hämochromatose mit Gelenkbeschwerden (ich bin zum Glück verschont geblieben). Seit geraumer Zeit glaube ich jedoch, bei ihm auch psychische Veränderungen zu bemerken. Er war zwar immer schon ein ziemlich jährzorniger Mensch, aber mittlerweile geht sein Verhalten über das normale hinaus, wie mir scheint. Er ist ständig genervt, blafft alle an, bricht einen Streit nach dem anderen vom Zaun. Seine ganze Familie leidet darunter, die Ehefrau ist ziemlich am Ende, fürchte ich und auch ich selber finde ihn so unerträglich, dass ich ihm möglichst aus dem Weg gehe. Meine Frage: Ist es möglich, dass sich das überschüssige Eisen auch irgendwie in den Nerven ablagert? Gibt es darüber Berichte oder habt ihr eigene Erfahrungen oder Beobachtungen an euch oder Betroffenen feststellen können? Ich weiß sehr wohl, dass kranke Menschen zu Überreaktionen neigen, aber in seinem Fall vermute ich noch Schlimmeres.

Mfg
Jonas
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Lia
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Beitrag von Lia »

Hallo Jonas,
herzlich willkommen im Forum.


Wie schon im Beitrag angemerkt, kann allein eine chronische Schmerzerkrankung schon zu erhöhter Reizbarkeit und Aggressivität und Depressionen führen. Evtl kommt hinzu, daß er sich noch nicht mit seiner Erkrankung arrangiert hat und noch "gegen" sie lebt anstatt "mit" ihr. Der nicht leichte Prozess liegt vielleicht noch vor ihm, die Krankheit akzeptieren zu lernen.

Hämochromatose kann Schäden an verschiedenen Organen anrichten, was dann zu Fehlfunktionen führt, auch zu hormonellen Problemen z.B. dadurch, daß bei sehr hohem Ferritin die Hirnanhangsdrüse betroffen sein kann.
Erhöhte Reizbarkeit und Depressionen werden als mögliche unspezifische Symptome von Hämochromatose gelistet. Auch von einem "Brain fog", einem "Nebelgefühl" im Kopf, was klares Denken verhindert und von Vergeßlichkeit (Nachlassen des Kurzzeitgedächtnisses) wird berichtet.

Da bei dem Bruder schon jahrelang Hämochromatose bekannt ist, wenn ich das recht gelesen habe, wird er bereits die Phase der intensiven Aderlässe hinter sich haben.
Hatte er zu Beginn Ferritin von >1000ng/ml? Erst sehr erhöhtes Ferritin kann zu hämochromatosebedingten Organschäden führen.

Organschäden können psychische Veränderungen verursachen.
So macht z.B. eine durch fortgeschrittene Leberzirrhose verursachte hepatische Enzephalopathie charakterliche Veränderungen (Ammoniak verursacht als von der zirrhotischen Leber nicht mehr abbaubarer Giftstoff Verwirrtheit, Schläfrigkeit und Stimmungsschwankungen)

Vieles ist auf dem Gebiet der Hämochromatose noch wenig erforscht. So ist meiner Ansicht nicht auszuschließen, daß die ohnehin vorhandene Charaktereigenschaft des Bruders durch die chronische Erkrankung mit Dauerschmerz und durch die Schädigung durch Eisenablagerungen selbst verstärkt werden kann.

Ein Zuviel an Eisen im Gehirn spielt bei Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, MS, Epilepsie und anderen Erkrankungen eine Rolle bzw wird diskutiert.
Hämochromatose verursacht jedoch keine dieser Erkrankungen!

Detaillierte Literatur speziell über Hämochromatose und die Auswirkungen auf das Gehirn existiert derzeit meines Wissens nicht. Eine Seite auf englisch zum Thema:
http://www.ironoverload.org/brain.html

Habe jetzt wohl nicht recht weiterhelfen können. Mehr weiß ich zu diesem Thema nicht. Sollte ich irgend wann etwas darüber erfahren, werde ich es posten.

Man wird wohl auch andere mögliche Ursachen berücksichtigen müssen, die mit Hämochromatose nichts zu tun haben.

Liebe Grüße
Lia
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BirgittaM
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Beitrag von BirgittaM »

Wiederbelebung des Threads für Sine!
Hier steht was über die Probleme, die du mit deinem Kurzzeitgedächtnis hast.
War ziemlich schief gewickelt, was das angeht. Tut mir Leid.
Gruß, Birgitta

Ärzte vollbringen Wunder, die sich manchmal erst in einer anderen Welt manifestieren (unbekanntes Genie).
Lex
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Beitrag von Lex »

ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der permanent Schmerzen in möglicherweise nicht nur einem, sondern mehreren und vielleicht großen Gelenken hat, noch oft gute Laune hat, daher wäre möglicherweise eine psychotherapeutische Begleitung sinnvoll.
Zuletzt geändert von Lex am So 8. Mär 2009, 21:09, insgesamt 1-mal geändert.
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sine
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Beitrag von sine »

Hallo Birgitta,hallo Lex.
Toll,dass ihr euch noch einmal hier hin begeben habt!Du musst dich überhaupt nicht entschuldigen,Birgitta!Bei meiner ersten Google-Suche zum Thema HH wurde das Gedächtnis erwähnt,ich habe mich sofort angesprochen gefühlt!Allerdings muss man aufpassen,dass man sich nicht gleich mit allen Symptomen identifiziert...
Liebe Grüsse aus der Schweiz,Sine
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