Aderlass, ja oder nein?

In diesen älteren Diskussionen der Vorjahre könnt Ihr lesen und auch weiter aktiv schreiben. Beachtet, dass sich der Stand der Forschung seitdem geändert haben kann. Es gibt inzwischen neue Empfehlungen und Leitlinien zur Diagnostik und Therapie.
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wenkie
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Aderlass, ja oder nein?

Beitrag von wenkie »

Hallo, habe hier schon 2 mal gepostet. Bei meinem Mann wurde Hämochromatose festgestellt. Zuletzt hatte er einen Ferritinwert von 900.
Jetzt war er zum Gentest im Klinikum. Da hat man Ihm gesagt, dass er keinen Aderlass machen muss, da er eine seltene Erbkrankheit hat. Und zwar hat er nicht wie normale Menschen ein X und ein Y Chromosom, sondern er hat Von dem X und dem Y Chromosom jeweils zwei.
Jetzt soll nur ein Aderlass gemacht werden, wenn die Leberwerte deutlich ansteigen. Ich versteh das Ganze nicht. Wer kennt sich aus und kann das so stimmen? Alles? :(
LG
Wenkie
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christiane
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Beitrag von christiane »

Halo Wenkie,
ich kenn mich leider auch nicht damit aus. :cry:
Allerdings würde ich mit laienhaftem "gesunden Menschenverstand" den Ferritiwert durch Aderlässe auf ein vernünftiges Maß absenken wollen, um eben Leber- oder andere Organschäden gar nicht erst entstehen zu lassen. Denn durch hohe Eisenwerte können ja Ablagerungen entstehen, die man vielleicht vermeiden könnte.
Das sind nur meine unmaßgeblichen spontanen Gedanken dazu. Ich würd aber einen 2. Arzt fragen!
Liebe Grüße und alles Gute :D
Christiane
wenkie
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Beitrag von wenkie »

Danke Christiane, für deine Antwort. Mal sehen, ob das mein Mann macht.
LG
Wenkie
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Lia
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Beitrag von Lia »

Hallo Wenkie,

bei Deinem Mann wurde das Klinefelter-Syndrom festgestellt?
Meistens ist dabei zusätzlich ein -bis mehrere x-Chromosom(e) vorhanden, selten auch ein zusätzliches y-Chromosom, wie bei deinem Mann. =xxyy (Diese Varietät wurde erst 1988 gefunden)
meines Wissens neben den bekannten Symptomen des Klinefelter-Syndroms sind auch Symptome wie Durchblutungsstörungen möglich, sehen die Ärzte die Bewußtlosigkeit deines Mannes damit in Zusammenhang? desweiteren Krampfadern und Geschwüre an den Beinen... )

Mir ist bislang nicht bekannt, daß diese Erkrankung erhöhte Ferritinwerte zeigen kann. Bei entzündlichen Erkrankungen wie Rheumatoider Arthritis etc kann das Ferritin erhöht sein, obwohl in Wirklichkeit gar keine Überladung mit Eisen vorliegt, dann darf man auch nicht einfach so Aderlässe machen, weil man sonst eine Anämie droht. Mir ist nicht bekannt, daß auch beim Klinefelter-Syndrom ein derart erhöhter Ferritinwert ohne tatsächliche Eisenspeicherung auftreten kann. (So etwas wäre dann ein für mich nachzuvollziehender Grund ,daß die Klinik bei deinem Mann keine Aderlässe vornehmen will.)
Ich würde an eurer Stelle beim behandelnden Arzt nachfragen, warum genau der Arzt keine Aderlaßtherapie vornehmen will, also welche medizinischen Gründe gegen Aderlässe sprechen.
Ansonsten würde ich- wenn sonst keine Gründe gegen Aderlässe sprechen mit einem in Sachen Hämochromatose erfahrenen Arzt die Therapie abstimmen lassen

Bei deinem Mann wurde Hämochromatose wenn ich mich recht entsinne per Gentest eindeutig nachgewiesen?
Kannst Du das nochmal bestätigen? Ist er c282y homozygot?

Beim Klinefelter-Syndrom besteht ein Mangel anTestosteron, hat man Hämochromatose mit ziemlich erhöhten Ferritinwerten-zum Glück höheren als dein Mann hat! :) , kann man ebenfalls einen Testosteronmangel bekommen mit all den möglichen Konsequenzen wie Unfruchbarkeit, Osteoporose... damit möchte ich sagen, wenn er eine relevante Mutation für Hämochromatose aufweist, dann wird der Speichereisenwert Ferritin ohne Eisenentzug(= mittels Aderlaßtherapie)
weiter ansteigen und er wird dann irgendwann Ferritinwerte haben, die so hoch sind, daß sie sich evtl. negativ verstärkend auf Klinefelter-Symptome auswirken könnten mal ganz abgesehen von den anderen möglichen Hämochromatosesymptomen.Da bei Hämochromatose schon vor Ansteigen der Leberwerte Symptome in Form von meist nicht mehr rückgängig zu machenden schmerzhaften Gelenkproblemen =Hämochromatose-Arthropathie ähnlich Arthrose auftreten können, würde ich nicht abwarten, bis sich die Leberwerte erhöht haben sehe ich wie christiane- es sei denn es gibt einen trifitgen Grund, den dir die Ärzte nennen können!

Also sprich deine Ärzte gezielt darauf an, frag ihnen Löcher in den Bauch :wink: Sie werden Dir sicher Antwort geben können. Wenn nicht, Zweitmeinung einholen!
Wenn du Infos zu Klinefelter möchtest, schreib, dann poste ich dir rein oder schick sie als PN

Liebe Grüße :) Lia
Zuletzt geändert von Lia am Do 7. Apr 2005, 16:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Lia
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Beitrag von Lia »

Hallo ,ich bins noch einmal,

ich habe eben mit einem Professor
am Institut für Humangenetik
der Universität F. telefoniert, der als Spezialist für Klinefelter-Syndrom gilt.
Klare Aussage von ihm:
Es gibt seiner Ansicht nach bezüglich Klinefelter überhaupt KEINEN medizinischen Grund, die
notwendige Hämochromatosetherapie in Form von Aderlässen nicht unverzüglich zu beginnen! Also ja nicht abwarten, bis sich die Leberwerte erhöhen, das Kind sozusagen in den Brunnen gefallen ist :wink: !

Liebe Grüße auch an deinen Mann

Lia
wenkie
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Beitrag von wenkie »

Liebe Lia, danke für deine ausführlichen Antworten. Ist für mich alles noch Neuland, aber ich werde bei meinem Mann hartnäckig bleiben, dass es doch einen 2. Arzt aufsucht. Er soll vom Klinikum in dem er den Gentest gemacht hat auch noch einen Brief bekommen. Den müssen wir
abwarten. Über das Klinefelter-Syndrom kannst du mir gerne mehr berichten, wenn du Lust hast. Vielen Dank noch mal. Liebe Grüße Wenkie
wenkie
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Beitrag von wenkie »

Nachtrag: Ich weiß noch nicht, ob er c282y homozygot ist, ich hoffe, das wird dann in dem Brief stehen.
Wenkie
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Aderlass ja oder nein!

Beitrag von wenkie »

Hallo Lia, habe jetzt den Brief vom Klinikum Amberg. Hier steht:
Diagnose: Asymptomatische Ferritinerhöhung ( 900ng/ml (Norm bis 400)
familiäre Belastung: Vater mit symptomatischer HC, inzwischen
verstorben
Heterozygotie für die Mutation C282Y
Aderlasstherapie nicht indiziert
Beurteilung: Herrn W. geht es ordentlich, derzeit keine gravierenden körperlichen Beschwerden. Der Patient fand sich in den letzten Jahren wiederholt wegen am ehesten vasovagal bedingter Synkopen in unserer Behandlung. ( Da wurde aber nichts gefunden, bzw. dagegen unternommen, also wir wissen nicht, warum er 3 mal bewußtlos wurde). Gamma Gt in Ordnung, trotzdem wird ihm geraten weniger Bier zu trinken, obwohl er sowieso nicht soviel trinkt.

Eine heterozygote Mutation C282Y bei Fehlender Mutation H63D reicht nicht aus um ein HC manifest werden zu lassen. Liegt nur die heterozygote Mutation C282Y vor, ist eine Aderlassbehandlung eigentlich nicht indiziert. Sie haben meinem Mann jetzt geraten, den Alkoholkonsum
zu reduzieren und die Leberwerte 2-3 mal im Jahr kontrollieren zu lassen.
Sollte es zu einem Transaminasenanstieg kommen ( im Moment völlig normal), wäre eine Leberbiopsie indiziert um das Ausmaß der Eisenablagerungen einschätzen zu können. Aderlasstherapie erst nach Nachweis auch einer histologisch signifikanten HC.

Also, das steht alles drin, mit diesem Brief soll er jetzt zum Hausarzt.
Es wird ja nichts weiter gemacht. Kannst du beurteilen, ob das richtig ist?
Und kannst du mir vielleicht sagen wer sich in der Umgebung von Amberg
in der Oberpfalz, z.B. Regensburg, Nürnberg oder so sich am besten mit HC auskennt. :(
Wenn möglich schreib mir bitte per E-Mail, da ich das ausdrucken möchte.

Vielen Dank im Voraus

Auch andere, die zu diesem Thema was schreiben können, bitte ich, das zu tun.
LG
Wenkie
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Lia
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Beitrag von Lia »

Hallo Wenkie,

das bringt jetzt etwas Licht ins Dunkel,
bislang war bei Deinem Mann nur eine Ferritinerhöhung und nicht Hämochromatose nachgewiesen. Und jetzt, wo der Gentest gemacht wurde für Hämochromatose, stellt sich heraus, daß Dein Mann C282Y heterozygot ist.
Normalerweise ist man als Hämochromatose-Patient C282Y homozygot oder kombiniert heterozygot mit einer weiteren Mutation, meist H63D.

Da bei Deinem Mann weder C282Y homozygot noch kombiniert heterozygot mit H63D ist, sieht der Arzt keine Veranlassung, Aderlässe durchzuführen.

So würde ich vorgehen, wenn ich in Eurer Lage wäre:Abklären, woher das erhöhte Ferritin kommt, denn normal ist der Wert Deines Mannes nicht

Liegt Euch der Wert Transferrinsättigung vor?
Ist der erhöht?
Wenn der wesentlich erhöht ist-gering erhöht ist bei sogenannten Trägern-also heterozygoten- im normalen Rahmen, wäre das ein Hinweis auf das Vorliegen einer möglichen Kombination C282Y heterozygot +einer weiteren noch nicht getesteten relevanten Mutation.
Eine erhöhte Transferrinsättigung macht ein Vorliegen einer Hämochromatose sehr wahrscheinlich, wenn kein erhöhter Alkoholkonsum besteht, Hämoglobin, Transaminasen und Quickwert (Wert, wie schnell das Blut gerinnt) ok sind.

Ferritin kann entzündungbedingt erhöht sein, bei Krebserkrankungen wie Leukämie, Leberkrankungen, Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis etc
Es gibt diverse Möglichkeiten für erhöhtes Ferritin ohne erhöhte Transferrinsättigung:
(z.B.
-Ferroportin- Mutation im SLC40A1 Gen, wird dominant vererbt -neben HFE-Hämochromatose die häufigste erbliche Erkrankung mit Eisenüberladung
-Hereditäre Aceruloplasminämie, genetisch bedingt, Mutation auf dem Chromosom3, Symptome :u.a.neurologische Probleme )


Falls die Transferrinsättigung wesentlich erhöht ist, auf weitere Mutationen testen
Wurde er auf die Mutation S65C getestet? Bei meiner Mutter wurde diese Mutation im Gentest mitgetestet, das wäre ein Ansatz: diese Mutation auszuschließen.
Hierzu stehen zwei mögliche weitere Mutationen im unten angegebenen Link, den würde ich evtl ausdrucken, auch deswegen:
Kosten: Die Untersuchung unterliegt nicht der Budgetierung (Kapitel P-Leistung)
http://www.labor-ackermann.de/Haemochro ... 128.0.html

Es gibt noch viele weitere sehr seltene Mutationen, normalerweise wird man darauf nicht getestet
Ein englischsprachiger Artikel,evtl. zum ausdrucken
http://hemochromatose.tripod.com/a/tr/3.pdf (auf englisch)
Unter 2.1.3.2. steht, wie vorgegangen werden soll, bei der Situation deines Mannes, wenn man Träger von C282Y ist, also C282Y heterozygot ist und weitere Informationen zur erweiterten Hämochromatose-Diagnostik

Messung der Lebereisenkonzentration evtl. nicht invasiv mittels Biomagnetometer, ersetzt Leberbiopsie (Zu einer Leberbiopsie wird generell ab Werten Ferritin> 1000 geraten,darunter geht man nicht von einem möglichen Leberschaden aus sofern die Leberwerte ok sind, dein Mann ist mit 900 schon kurz vor dieser Marke)
Infos hier zu Biomagnetometer,- gibt es nur in Hamburg in Deutschland-Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf
http://www.eiseninfo.de/squid.htm
Antragsformular für Kostenübernahme, und Adresse+ Tel.-nr. der dortigen Eisenstoffwechselambulanz, könntet ihr mit eurem Arzt mal besprechen
http://www.eiseninfo.de/antrag_IHC.pdf
Indikation u.a. bei genetisch unklaren Fällen, wenn Eisenüberladung vorhanden ist, aber nicht die gängigen Mutationen vorliegen.

Ich würde an Stelle Deines Mannes eine Zweitmeinung einholen bei einem Arzt, der in Sachen Hämochromatose erfahren ist- auch wenn ihr dafür eine längere Fahrt in Kauf nehmen müßt. Ich kann gut verstehen, daß ihr nicht warten wollt, bis sich die Leberwerte verschlechtern-würde ich auch nicht wollen. (Mir fällt z.B.in der Mitte/Süden Deutschlands zur weiteren Diagnostik ein :z.B.Heidelberg, München, Oberhausen, kann Dir dazu eine PN schicken ,wenn Du willst)
Vielleicht können Dir andere dazu auch noch schreiben.

Hab Dir eben noch ne PN geschrieben.

Liebe Grüße :)
Lia

Nachtrag: ich vergaß:
Zum Nachweis einer pathologischen Eisenspeicherung ist ein Desferrioxamin-Test möglich
Der Chelatbildner Desferoxamin bindet Eisen. Dies führt zu einer gesteigerten Eisenausscheidung im Urin, wenn eine Eisenüberladung vorliegt. Auch davon wird ein erfahrener Arzt Ahnung haben.
http://www-klinik.uni-mainz.de/Zentrall ... altest.htm
wenkie
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Beitrag von wenkie »

Liebe Lia, danke dass du dir so viel Mühe gemacht hast. Ich muss mir dein Posting ein paar mal durchlesen, alles Fachausdrücke. Meine Mann hat in 1 1/2 Wochen einen Termin beim Hausarzt und er wird auch sicher nochmal nachfragen,ob das so alles richtig ist. Dann kann ich dir wieder
berichten.
Ersmals vielen Dank, bis aufs weitere.
LG
Wenkie
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Lia
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Beitrag von Lia »

Hallo Wenkie,

das wichtigste für Euch ist :

Bevor man einfach nur abwartet bis die Leberwerte steigen:
die Ursache für das erhöhte Ferritin sollte gefunden werden.Es gibt Möglichkeiten für den behandelnden Arzt, das ganze weiter zu untersuchen. Diese wären


-ist die Transferrinsättigung erhöht? Arzt fragen, ob das neben dem Ferritin getestet wurde, wenn es nicht getestet wurde, unbedingt testen lassen.
-wenn ja, andere mögliche Mutationen testen lassen
-wenn nein, dann danach suchen, warum das Ferritin erhöht ist obwohl die Transferrinsättigung normal ist

- evtl.Leberbiopsie in Überlegung ziehen oder alternativ als nicht invasives Verfahren Biomagnetometer

-evtl.Desferrioxamin-Test

Der komplizierte Kram, den ich da hingeschrieben habe, ist mehr dafür gedacht, daß man sich ein Bild machen kann, was weiter zu unternehmen möglich wäre bzgl. ausdrucken

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende :)
Lia
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