Reha...
Das bedeutet, dass ich nun wieder unters Volk gemischt werde, bei den Mahlzeiten, beim Warten auf die Medikamentenausgabe, in den Gruppen-Turnstunden.
Uns allen gemein ist, dass wir nicht zum Spaß hier sind, d.h. man hat meistens entweder "Knie" oder "Hüfte" und ein entsprechendes, frisch eingebautes Ersatzteil. Uns allen auch gemein ist, dass wir bei Bedarf bis zum Stehkragen mit verschiedenen Schmerzmitteln unterschiedlicher Art abgefüllt, damit uns nichts weh tut und es voran geht.
Aber dennoch gibt es Unterschiede, vor allem, was den Grad des Jammerns angeht, da kann ich noch so einiges lernen, indem ich in Warteräumen immer so tue, als ob ich lese...
So betrachte ich das Ganze jetzt als Fortbildung: Die hohe Kunst der Reha...
Lektion 1
Grundsätzlich ist das, was man selber hat, immer schlimmer als das, was andere haben, also entweder ist Hüfte schlimmer als Knie: "Knie? Gar kein Vergleich zu Hüfte, ich kann Ihnen sagen!" - oder eben umgekehrt.
Listen and repeat...
Lektion 2
2.1 Hat man zufällig das Gleiche wie der Gesprächspartner, dann ist z.B. das eigene Knie immer deutlich schlimmer als alle anderen Knie dieser Welt: "Ich kann nichts machen, aber auch gar nichts. Auch an Schlaf ist nicht zu denken! Seit Wochen/Monaten/der OP oder schon immer. Keine Nacht!" (Zutreffendes einsetzen.)
2.2 Verstärken lässt sich das auf jeden Fall durch Aussagen wie: "Also sooo was, sagt der Professor, sooo was hat er ja noch nie gesehen, sagt er... Und er hat ja schließlich die Erfahrung!"
Merke: Jeder Arzt, der mit einem selbst zu tun hat, ist immer Professor, wenigstens, und er hat einen solchen Fall noch nicht... ach was, noch niiiie..."
2.3 In die Reha ist man nur gekommen, weil man selbst darauf gedrängt hat, denn: "Eigentlich, sagt der Professor, eigentlich sei ich ja noch nicht so weit, sagt der er, aber, sag ich, es muss nun ja auch mal irgendwie weiter gehen, sag ich..."
Achtung: Tiefen Seufzer an der Stelle nicht vergessen!
Listen and repeat...
Lektion 3
Fortschritte in der Reha dürfen grundsätzlich nur minimal sein, was allerdings automatisch kommt, wenn die Inhalte der Lektionen 1 und 2 gut verinnerlicht sind.
Also: Hüftgruppe ist immer anstrengender als Kniegruppe (bzw. umgekehrt), denn: "Was wir da machen..., Sie können es sich nicht vorstellen!" Abrunden muss man das auf jeden Fall mit der Schilderung einer Übung, die für Patienten aus der jeweils anderen Gruppe vollkommen irrelevant und daher nicht vergleichbar ist, z.B. Abspreizen des Beins zur Seite (bei "Hüfte") oder Beugen des Beins (bei "Knie"). "Das sind solche Schmerzen, da macht man sich keinen Begriff von..."
Listen and repeat...
Ganz blöd ist es nur, wenn man im nach obigen Regeln gut vorbereiteten Gespräch auf Mitpatienten trifft, bei denen schon beide Hüften (und das auch noch gleichzeitig) und nun auch noch das zweite Knie mit Endoprothesen ausgestattet sind, die zudem noch ein Ersatzteil in der Hand haben und, als ob das nicht schon genug wäre, diverse andere Gelenkserkrankungen und eine unaussprechliche Genmutation im persönlichen Gepäck haben... Und wenn die auch noch gut gelaunt berichten, dass es ihnen bereits am 4. Tag nach der OP so gut geht, dass... und dass sie sich sogar tierisch darüber freuen... und auch Ärzte und Physiotherapeuten wären ganz...
In solchen Fällen nicht mehr auf Selbstdarstellung achten, sondern das Gespräch abbrechen und BLOSS SCHNELL WEG!